Die „neue, wohlfeilere
Ausgabe“ der Aglaja 1833–1836
Nach dem Tod von Johann Baptist Wallishausser II. wurden die unverkauften
Restbestände der Aglaja abverkauft. Bei dieser „neuen wohlfeileren
Ausgabe“ wurde
– das originale gestochene Titelblatt mit dem Datierungsvermerk
durch ein einfaches, typographisches, fast immer undatiertes ersetzt,
(nur beim II. Jahrgang wurde eine (von 1833) datierte Variante
gefunden).
– Es wurde ein Einband aus einfacher, unbedruckter Pappe
verwendet.
– Der Buchrücken wurde in Längsrichtung mit einem
Zettel mit der Beschriftung „Aglaja Taschenbuch“ (in einer Antiqua-Type!)
und mit der Angabe der jeweiligen Bandnummer in römischen
Ziffern überklebt. Damit steht diese Ausgabe in einem peinlichen
Kontrast zu der sehr geschmackvoll gestalteten Originalausgabe.
– Der schlichte Einband aus einfacher Pappe mit der unpassenden
Antiqua-Rückenbeschriftung wirkt billig und deutet in keiner
Weise auf die sorgfältige Ausstattung des Almanachs hin.
– Bei einigen Jahrgängen wurden die bedruckten Originaleinbände
weiterverwendet und lediglich der Buchrücken überklebt.
Dabei wurde nicht bedacht, dass die Verzierung des originalen
Buchrückens mit dem ornamentlosen Überkleber in keiner
Weise harmoniert. Das so verunstaltete Buch mutet wie eine laienhafte
Bastelarbeit an, man könnte nahezu von einer „Schändung“
des Almanachs sprechen.
Merkwürdigerweise ging man bei der
Vermarktung der Aglaja so vor, dass nicht etwa die originale Jahrgangsnumerierung
(in arabischen Ziffern) übernommen wurde, sondern willkürlich
eine neue Einteilung (in römischen Ziffern) getroffen wurde,
wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht:
Neue,
wohlfeilere Ausgabe |
entspricht
der Originalauflage |
Sign.-Nrn.
der „neuen, wohlfeileren Ausgabe“ in der Öst. Nationalbibliothek
und Wr. Stadt- u. Landesbibliothek |
Nr. |
Ersch.-Jahr |
Jg. |
Ersch.-Jahr |
- |
I |
1832 |
7. Jg. |
1821 |
ÖNB
819.017-A.Th; WStLB A 13.308 |
II |
1833 |
8. Jg. |
1822 |
ÖNB
819.017-A.Th; WStLB A 13.308 |
III |
- |
14.
Jg. |
1828 |
WStLB
A 13.308 |
IV |
- |
12.
Jg. |
1826 |
ÖNB
819.017-A.Th; WStLB A 13.308 |
V |
- |
15.
Jg. |
1829 |
ÖNB
819.017-A.Th; WStLB A 13.308 |
VI |
- |
17.
Jg. |
1831 |
ÖNB
819.017-A.Th; WStLB A 13.308 |
VII |
- |
10.
Jg. |
1824 |
- |
VIII |
- |
11.
Jg. |
1825 |
ÖNB
819.017-A.Th |
IX |
- |
13.
Jg. |
1827 |
- |
X |
- |
9. Jg. |
1823 |
- |
XI |
- |
16.
Jg. |
1830 |
- |
XII |
- |
18.
Jg. |
1832 |
- |
XIII |
1836 |
5. Jg. |
1819 |
ÖNB
819.017-A.Th |
XIV |
1836 |
4. Jg. |
1818 |
ÖNB
819.017-A.Th |
XV |
1836 |
1. Jg. |
1815 |
- |
XVI |
- |
2. Jg. |
1816 |
- |
Die Nummern XVII und XVIII sind vermutlich
nicht erschienen. Somit wurde vom dritten und sechsten Jahrgang
von 1817 und 1820 vermutlich keine „neue, wohlfeilere Ausgabe“
ausgegeben.
Das typographische Titelblatt weist nicht
darauf hin, welcher Jahrgang der Originalauflage der vorliegenden
„neuen, wohlfeileren Ausgabe“ zugrunde liegt. Dafür könnte
es zwei Gründe gegeben haben:
– Möglicherweise sollten beim Abverkauf zuerst die
Bestände desjenigen Jahrganges berücksichtigt werden,
von dem die meisten Exemplare unverkauft geblieben waren. Damit
wäre die obige Tabelle gleichzeitig auch eine Art Lagerbestandsliste
zum Zeitpunkt des Todes J. B. Wallishausser II., wenn auch ohne
konkrete Zahlen, sondern nur in verhältnismäßigem
Zusammenhang. Diese These wird auch durch die Beobachtung gestützt,
dass im Antiquariatshandel Bände mit niederen Bandzahlen
häufiger vorkommen als die eher selteneren höheren.
– Vielleicht sollten etwaige Kaufinteressenten nicht gleich
beim ersten Blick erkennen können, ob sie den betreffenden
Jahrgang schon besitzen.
Aus den etwas schlampig gedruckten Titelblättern
dieser Ausgabe kann aber nicht auf einen Rückgang des Niveaus
der Wallishausser-Druckerei geschlossen werden. Dies beweist ein
von der Witwe Grämmer in Auftrag gegebenes, sehr sauber gedrucktes
Gebetbuch mit aufwendig gestalteten Titelblatt, wie im Kapitel
„Ein Kalligraph für das Titelblatt“ nachzulesen ist.
Von allen Nummern der „neue, wohlfeilere
Ausgabe“ muss es auch eine also eine Art „Prachtausgabe“, eine
„Ausgabe in buntem Originalkarton mit Goldpressung und Goldschnitt
und Schuber“ gegeben haben, wie einem Antiquariatskatalog zu entnehmen
ist.
Typen von Anton Strauß,
keine gleichzeitige Erscheinungsweise
Für die Titelblätter der „neuen, wohlfeileren Ausgabe“
wurde eine Type verwendet, wie sie sich häufig bei Druckwerken
aus der Offizin der Witwe von Anton Strauß findet. Daraus
und aus dem Vergleich mit anderen Druckwerken der frühen
dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts kann man schließen,
dass die Offizin Wallishausser ihr Typenmaterial aus der Schriftgießerei
von Anton Strauß’ Witwe gekauft hat. Offenbar wurden die
Titelblätter dieser Ausgabe nicht vom stehenden Satz (nur
unter der Auswechslung der römischen Zahl) gedruckt, soweit
sich das vom Vergleich der nur wenigen autopsierten Titelblättern
sagen läßt. Daraus kann vorsichtig gefolgert werden,
dass die drei Ausgaben pro Jahr nicht gleichzeitig erschienen.
Offenbar war der Buchmarkt nicht aufnahmefähig genug, drei
gleichartige Jahrbücher zur selben Zeit in größerer
Anzahl verkaufen zu können.
Im „Organ des Deutschen Buchhandels, oder
Allgemeines Buchhändler-Börsenblatt“, Berlin: Verlag
L. W. Krause, 1. Jg. (1834), S. 311, Nr. 870, inserierte die Firma
J. B. Wallishausser diese Ausgabe wie folgt:
„Aglaja, Taschenbuch. Neue wohlfeile Ausgabe. (3 Bände, VII.
VIII. IX.) Dritter Jahrgang 1835. Gewöhnliche Ausgabe 4 thlr.
Feine Ausgabe 4 thlr. 15 sgr. [12 ggr.] (1r und 2r Jahrgang in
denselben Preisen.) Jährlich erscheinen hiervon 3 Bände
in Schuber.
Inhalt der Jahres-Ausgabe (VII. VIII. IX.)
1835. Kupferstiche von Fr. John. Madonna, von Fra Bartolomeo a
St. Marco. St. Franciscus, von Domenichino. Judith, von Onoro
Marinaro. Studierende Mönche, von Rembrandt. Ossian, von
P. Krafft. Correggio's Porträt, von ihm selbst gemalt. Madonna,
von Carlo Dolce. Kirchenvater, von P. P. Rubens. Magdalenen's
Verherrlichung, von Domenichino. Lautenspielerin, von P. Carravaggio.
Charitas, von Carlo Cignani. Johanna d'Arc, von Lens. Madonna,
von Raphael. St. Franciscus Seraph., von H. Caracci. St. Catharina,
von Carlo Dolce. David, von Domenichino. Cirkassierin, von Domenichino.
Venus und Amor, von Franceschini.
Inhalt des Textes. Nur im Allgemeinen angegeben: Carol. Pichler.
Die Stieftochter, Erzählung.—Th. Hell. Schottische Reiseabentheuer.—Rochlitz.
Vater Hartmann, Erzählung.—Weingarten. Rebecca, Erzählung.—Carol.
Pichler. Der Wahlspruch, Erzählung.—Dann noch Erzählungen
von C. A. West, J. v. Perin u. A., und poetische Beiträge
von Fr. Kind, Kuhn, Castelli, Ghezy, F. L. Z. Werner, Rückert,
J. v. Hammer, Grillparzer, Deinhardstein, L. Schefer.
Wirklich auch dieses Jahr wieder Viel um weniges Geld: 18 Kunstblätter
von Fr. John, bei deren Ansicht es sich bestätigt, daß
das eigentliche Schöne Allen schön ist und immer erneuten
Kunstgenuß gewährt. Auch an Erzählungen und Poesien
eine reiche Auswahl.
Wiederholt bringe ich in's Andenken, daß ich von dieser
wohlfeilen Ausgabe, wegen geringen Vorraths, keine Exemplare in
Commission versende, sondern nur auf feste Bestellung, die ich
deshalb schnell zu machen bitte, weil bald Mangel an Exemplaren
eintreten dürfte.
Einige vollständige Jahrgänge der feinen Ausgabe von
1815 bis 1832 sind noch vorräthig; diese, so wie alle andern
einzelnen Jahrgänge mit Jahreszahlen, behalten den bisherigen
Ladenpreis von 3 thlr. 15 sgr. [12 ggr.] der gewöhnlichen,
und 4 thlr. der feinen Ausgabe. Wien, den 1. September 1834. J.
B. Wallishauser.“
„... Geschlossene, schön erhaltene
Serien sind ... geradezu unauffindbar“ urteilte Rabenlechner,
Streifzüge, S. 38 und S 39. Es wurde nur ein vollständiges
Exemplare in einheitlicher Bindung gefunden: Im Prunksaal der
ÖNB (Sign.-Nr. 29.Zz.30) befindet sich ein solches seltenes
Exemplar, das von dem „k. k. Hof-Buchbinder Fr. Hollnsteiner“
einheitlich (und schlicht) gebunden wurde. Die volle Schönheit
und geschmackvolle Gestaltung des Almanachs wird nur dann offenkundig,
wenn der Verlegereinband vorliegt. Die Normalausführung des
Vorderdeckels ist mit einem von einem Kupferstecher bedruckten
Papier überzogen, bei den diversen Prachtausgaben sind der
Schuber- und Einbandkarton mit dem gleichen Papier (oder eventuell
Leder) überzogen und mit Goldfilets versehen, Vorsatz und
Seidenziehband sind farblich auf den Einband abgestimmt.
Jedes Buch aus dem vorindustriellen
Zeitalter ist ein Unikat
Die Vielzahl der zu erfassenden Parameter sowie das wichtige Bildmaterial
können nicht auf das Prokrustesbett eines einheitlichen bibliographischen
Schemas gezwungen werden. Ähnlich wie beim früheren
„Hoftheater Taschenbuch“ wurde eine Aufteilung der bibliographischen
Beschreibung vorgenommen:
Aglaja-Numerierung
mit arabischen Ziffern |
Tabellen |
Über
die „neue, wohlfeilere Ausgabe“ der Aglaja 1832–1836
siehe weiter oben. |
Konventionelle
bibliographische Beschreibung |
- |
Abbildungen
der Titelblätter |
- |
Farbabbildungen
|
J.
B. Wallishausser II. inserierte in der Wiener Zeitung mehrere
Prachtausgaben der Aglaja. Leider wissen wir nicht, wieviele
es zu jedem einzelnem Jahrgang der Aglaja gegeben hat. Es
werden Preise von „7 fl. 30 kr. bis 25 fl.“ genannt, die teuerste
Ausgabe war also mehr als achtmal so teuer wie die Normalausgabe
(zu 3 Gulden). Diese ungeheure Schwankungsbreite spiegelt
sich am heutigen Antiquariatsmarkt nicht mehr wider. |
Wichtige Hinweise zu den Abbildungen
Ein vollständiger Abbildungskatalog sämtlicher Details
aller Jahrgänge müsste einen mehrfach größeren
Umfang aufweisen. Der Abbildungsteil stützt sich auf die
Erhebung der Exemplare der angegebenen Sammlungen. Weitergehende
Untersuchungen, etwa ein Zensus aller weltweit einsehbaren Exemplare,
wäre ein eigener Forschungsauftrag, der wohl einige Jahre
an Zeitaufwand kosten würde, ein Aufwand, wie er im Rahmen
der Bibliographie möglichst aller Verlagswerke J. B. Wallishaussers
leider nicht zur Verfügung steht.
Das vielschichtige Spektrum, wie es sich aus dem Abbildungsteil
ergibt, postuliert die Frage, ob es so etwas ähnliches wie
eine einheitliche Verlagsbindung der Prachtausgabe überhaupt
gegeben hat. Eine Beantwortung dieser Frage kann sich der Verfasser
dieser Studie nicht erlauben, da er aufgrund ihrer Seltenheit
zu wenige Exemplare autopsiert hat. Weitergehende Erlebnisse wären
nur bei Erhebung eines Zensus möglich. Die Gleichartigkeit
der Normalbindungen vieler Ausgaben läßt lediglich
den Schluß zu, daß diese einheitlich mit den abgebildeten
Deckelbezügen ausgestattet wurden. Weitergehende Rückschlüsse,
wie die der Einheitlichkeit der Seidenziehbänder, der Vorsatzpapiere
etc. sollten nicht gezogen werden, da es den Anschein hat, dass
einfach diejenigen Materialien verwendet wurden, die gerade in
der Buchbinderwerkstatt vorrätig waren. Im vorindustriellen
Zeitalter ist jedes Buch als Unikat anzusehen. Doubletten, also
zwei in jedem Detail gleichartige Exemplare, dürfte es aufgrund
der Handfertigung bei Büchern aus dieser Epoche, nicht geben,
und wenn, wäre dies wegen qualitativ und quantitativ unterschiedlicher
Alterungsschäden durch die sehr verschiedenen Lagerungsbedingungen
nicht mehr feststellbar.
Hinweise zu den Kollationsangaben
Die bedruckten Zwischenblätter zwischen den Kupfertafeln
sind, wie sich von selbst versteht, bei der Angabe der Blattanzahl
und bei der Bogensignatur berücksichtigt; die unbedruckten
Schutzblätter aus Seidenpapier blieben bei der Angabe der
Blattanzahl nicht erfaßt.
Die Seidenziehbänder lassen sich aufgrund ihrer Verschmutzung
farblich nicht immer gut beurteilen, bei der Farbangabe bezieht
sich das Wort „oder“ auf nicht genau bestimmbare Farbtöne
und nicht etwa auf das Vorliegen zweiter Bandvarianten.
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