Akt: 1816 11. IV.
Note.
Die nebenfolgende, von dem hier anwesenden Weltpriester,
F. L.
Zacharias Werner verfaßte, geistliche Tragödie
unter dem Titel
„Die Mutter der Machabäer“ [sic]
will in dem k. k. Hoftheater auf-
geführt werden.
Da der Inhalt dieser Tragödie wie das nach meinem Ermessen
un-
schickliche, daher an und für sich unzulässige
Beywort „geistliche“ schon
andeutet, durchaus eine religiöse Tendenz hat, und
da hiebey besonders
im 4. und 5. Aufzug mehrere alt-testamentarische Religions-Cere-
monien auf die Bühne gebracht werden sollen; so gebe
ich mir die Ehre,
Eure fürstl. Gnaden zu ersuchen, mir
gefälligst Hochdero Ansichten
darüber und die geehrte Wohlmeinung eröffnen zu
wollen, ob in
religiöser Hinsicht gegen die Aufführung dieser
Tragödie auf dem k. k.
Hoftheater irgend ein Bedenken obwalte; wobey ich mir noch
die Be-
merkung erlaube, daß die im 5. Aufzug erscheinenden
Grausen erregenden
Szenen, welche den Martertod der Machabäer darstellen,
in jedem
Fall eine zweckmässige Umarbeitung erheischen werden.
Wien den 11. April 1816
Sedlnitzky
des Herrn Fürstl. Erzbischofs Gf. Hohenwarth fürstl.
Gnaden, in Wien.
Seite 2 [Beilage]
Die Mutter der Makkabaeer.
Eine geistliche Tragödie in fünf
Akten, von Fr. Zach. Werner
/: Aufzuführen auf dem k. k.
Hoftheater:/
Es ist häufig, von verständigen Män-
nern sonderbar gefunden worden,
daß H. Werner Vormittags predigt,
und am Abend das Publikum mit seinen
dramatischen Arbeiten belustigt; und
doch konnte man bisher dagegen er-
wiedern (sic) daß dieß frühere Arbeiten
sind. Die Makkabaeer aber hat H.
Werner in Wien gedichtet. Meines
Erachtens können Martyrerscenen
zwar ein Gegenstand der Tragoedie
aber nicht zur Aufführung geeignet
seyn. Wenn man auch dem Verfasser
verzeyhet, daß er von der Geschichte
bey Bearbeitung dieser Tragoedie
ohne Noth abgewichen ist, so kann man
doch mit der allzu grossen Anhäufung
und Uibertreibung des Wunderbaren
und der Erscheinungen nicht zufrieden
seyn. Auch ohne Wunder und Er-
scheinungen wird ein grosser Dichter
ein Meisterstück der Tragoedie
in die Scene setzen, und wenn er
will auch ohne denselben, seinem Gegen-
stande ein religioses Colorit geben.
Da ich indessen von einem bestimmten
Standpunkte aus dieses Wernerische
Stück zu beurtheilen habe, nemlich:
was an demselben zu ändern sey
um es für die Aufführung zulässig
zu finden, -- bemerke ich Folgendes:
1= Auch für Christen ist es anstössig
wenn ein alttestamentarischer
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Hoherpriester als Schurke erscheint.
Diese Benennung aber, und was
noch ärger ist, diesen Charakter
legt der Dichter dem Hohenpriester
Simon bey. Die Haupthandlung
des Drama wird nicht gestört,
wenn auch dieser Simon weggelassen
oder in einen treulosen israeli-
tischen Großen umgeändert
wird. Zweymal wird Simon „Erz-
pfaff“ genannt; und sehr oft kommt
vor, daß ihn König Antiochus
für seine Treulosigkeit an der
Religion seiner Väter und am Vater-
lande, und für seine Schurkenstreiche
zum Magnaten !!! erhoben habe.
Mit diesem so unbesonnen von Werner
in der Scene gesetzten Sinne kann
die laxeste Censur keine Schonung
haben.
2= Auch dazu kann ich mich nicht
verstehen, daß in des Judas
Makkabaeus Fahne das Wort
„Jehova“ welches gerade zur
Zeit der Makkabaeer die Juden
weder schrieben noch aussprachen,
und noch weniger daß die Bundes-
lade auf der Bühne erscheine.
Hoherpriester und Bundeslade
werden als Typen des Neu-Te-
stamentlichen Cultus ange-
sehen; sind daher für die
Bühne zu heilig. Uiberhaupt
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halte ich dafür, daß das Heilige
es inhaerire Personen oder Sachen
von Schauspielern nicht dargestellet
werden solle; im Grunde kann es
von diesen nicht einmal darge-
stellet werden; unter ihren Händen
wird es zur Farce. Dem Clerus
muß hieran besonders viel liegen.
3= Auch sogar an dem heidnischen
Hycerphant [Hyrkanos?] und Oberpriester ist es
anstössig, daß er an dem jüdischen
Cnaben Achaz ein so sinnliches
Wohlgefallen findet, und von ihm
wie von einem andern Ganymed
sagt: „Wie Liebeszauber hat sein
Aug, sein Blauaug eingegeben.“
4= Es ist eine bekannte mystische
Lieblingsspielerey und Tändeley
von Werner, daß er ein rothes
Creuz mit sieben Sternen gern
in der Luft erscheinen läßt, über
haupt sollte am Schlusse diese
Erscheinung der verklärten
Mutter der Makkabaeer
mit ihren sieben Kinder, und den
gleichfalls in Lüften schwebenden
Engeln ganz wegbleiben.
5= Wenn die Erscheinung Eleazars
zur Motivwirkung des Drama noth-
wendig seyn sollte, so sollte
er doch nicht in blutender, und
überhaupt nicht so greller Gestalt
erscheinen.
6= Uiberhaupt soll die Marter-
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scene der Makkabaeer nicht so
im detail bis zum Greuzen [Kreuzen] auf-
geführt werden.
7= der Beysatz „geistliche“ Tra-
gödie wäre auf dem Titel-
blatte wegzulassen. Geister
kommen wohl vor, aber geistlich ist
dieses Drama nicht, sondern
mystisch-romantisch.
8= Da auch an einzelnen Aus-
drücken, wie z. B. Ich sehe Gott
ohne Creuzeln, viel zu tadeln ist,
wäre dieses Mß?, wenn es gedruckt
werden sollte
noch vorher der Censur
zu unterziehen.
Wien den 16. April [1]816
Turzan