„Wie die Theaterzeitung entstanden? Ich werde Ihnen hierüber getreulich berichten.
Schon in den Jahren 1804 und 1805 erschien in Wien eine Monatsschrift für Theaterfreunde.
Sie erschien ebenfalls, wie die jetzige bei Wallishausser und zwar bei dem Großvater des heute dieselbe Firma führenden Buchhändlers.
Redacteur derselben war ich. Herr Wallishausser, der Großvater, bewilligte kein Honorar für Mitarbeiter, dafür aber bezahlte er mir monatlich für sechs Druckbogen 7 fl. Bankozettel! Ich war damals auch Beamter bei der Regierung mit 300 fl.; ich hatte also mit dem Honorare des Herrn Wallishauser, 32 fl. Bankozettel.
Erst 19 Jahre alt und schon eine solche Revenüe!
Niemand war reicher, als ich. – Ich muß jetzt heiraten, dachte ich, es ist die höchste Zeit, warte ich noch ein Jahr, so nimmt mich Keine mehr und ich bleibe sitzen, dafür danke ich! – Ich lief mehrere Monate auf Freiersfüßen umher, ich lief einem Ideal nach, – ich fand es nicht; wohl lernte ich eine Witwe von 65 Jahren kennen, diese war mir nicht jung genug; mein Ideal war eine Jungfrau, eine Jungfrau mußte ich haben.
Endlich fand ich, was ich suchte! –
Mein Verleger Wallishausser gab einen Ball.
Ich wurde hiezu invitirt.
Auf diesem Balle fand ich ein allerliebstes Geschöpf, 17 Jahre alt! – Ich tanzte mit diesem Engel, ich tanzte mich in sein Herz hinein. – Nach dem zweiten Walzer fing meine Liebeserklärung mit einem Heiratsantrage an.
Ich prahlte mit meinen Revenüen, mit Frei-Theater, Frei-Redout, Frei-Menagerie, Frei-Feuerwerk und – Frei-Bad!
Meiner Angebeteten gefiel dies alles so sehr wie mir selbst. Wir waren einig. – Es fehlte nur noch die Heiratszustimmung unserer Eltern. Kleinigkeit!
Tags, nach dem Balle, eilte ich zu meinem Verleger in seine Buchhandlung auf den Kohlmarkt, ihm für das herrliche Ball-Vergnügen zu danken.
– Ich wollte Sie anfänglich nicht einladen, sagte Herr Wallishausser, weil ich Ihnen aber heute Etwas Unangenehmes zu sagen habe, so wollte ich Ihnen gestern noch Etwas Angenehmes erzeigen.
– Mir etwas Unangenehmes?
– Ja, ich entziehe Ihnen die Redaction der Monatschrift. – Es hat sich mir Herr Hassaureck als Redacteur angetragen. – Herr Hassaureck will mein Journal umsonst schreiben, blos der Ehre wegen! Wollen Sie dasselbe thun und das Honorar von 7 fl. monatlich zurücklassen, so haben Sie den Vorzug.
Ich starrte Herrn Wallishausser an.
– Sie vernichten mich, sagte ich!
– Das sehe ich nicht ein.
– Gerade auf Ihrem Balle, machte ich der schönen Antonie einen Heiratsantrag. – Sie nahm ihn an. – Als Familien-Vater kann ich 7 fl. monatlich nicht entbehren. Herr von Wallishausser, seien Sie human. – Ich gedenke keine kinderlose Ehe zu erzielen.
– Heiraten Sie in Gottes Namen! – Aber bedenken Sie, was Sie alljährlich ersparen, wenn Sie mein Redacteur bleiben. – Ihre Frau wird die Theater besuchen wollen. – Durch mein Journal erhalten Sie täglich zwei freie Sperrsitze in die beiden Hoftheater.
Dann haben Sie im Theater an der Wien, in den Theatern in der Leopoldstadt und in der Josephstadt detto zwei Sperrsitze frei! Schlecht gerechnet, macht dies jährlich 1000 fl.! Von 1000 fl. kann man mit Weib und Kind leben.
– Ich nicht! – Möge ein Anderer so rechnen; – leben Sie wohl, Herr von Wallishausser, ich redigire keine Zeile mehr!
Er ließ mich fort.
Ich blieb vor seinem Gewölbe noch eine Weile stehen.
DIeser Mann muß mich zurückrufen, sagte ich zu mir selbst.
Es schlug 10 – 11 – 12 und Ein Uhr!
Herr Wallishausser begab sich zu Tische.
Er ließ seine Buchhandlung schließen.
Er sah mich vor seinem Laden stehen, allein er rief mich nicht!
Verzweiflungsvoll wollte ich nach Hause und ihm einen herzzerreißenden Brief schreiben, aber wie ein Blitz fuhr es mir durch den Kopf:
Sollte ich denn eines Verlegers bedürfen, um sieben Gulden zu verdienen?
Ich will selbst ein Journal herausgeben, ich will eine Theaterzeitung, nicht eine Monatschrift gründen und sogleich um die Concession bitten.“
[Herrmann, Th.: Die Bäuerle-Feier. In: Wiener Theaterzeitung. Hrsg. von Adolf Bäuerle. Nr. 28. 50. Jg. 2. Feb.1856. S. 110.]