Abstracts der Vorlesungsreihe Südosteuropastudien III: Musik und Theater
Gordana Ilić Marković: Die Bretter, die das Leben bedeuteten: Theater der serbischen Soldaten und Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg
15.10.2014, 18 Uhr, Don Juan Archiv
Vom Kriegsgeschehen zutiefst beeinflusst, schrieben zahlreiche Autoren in Serbien während des Ersten Weltkriegs und kurz danach Stücke über diese Zeit. Dabei ging es ihnen nicht in erster Linie darum, dramatische Kunstwerke hervorzubringen; Branislav Nušić, der bedeutendste serbische Dramatiker, bringt dies anlässlich der Belgrader Uraufführung (1929) seines 1917 im Exil in Frankreich verfassten Werks Velika nedelja (Der Große Sonntag) in einem Zeitungsinterview auf den Punkt: „Das Stück entstand unter einem sehr persönlichen Einfluss unserer großen Tragödie. Es war nicht meine Absicht, ein Theaterstück zu schreiben, sondern nur ein großes historisches Dokument in Szene zu setzen. Ich erwarte weder den Applaus des Publikums noch das Lob der Kritiker.“
In dem seit 1915 okkupierten Königreich Serbien standen auf dem Repertoire Gastvorstellungen für die Besatzungssoldaten oder sog. Zivilveranstaltungen im „K.u.k. Kino und Theater“ in Belgrad, die auch der serbischen Bevölkerung zugänglich waren. Das serbische Theaterleben hingegen entwickelte sich an Orten, an denen Serben etwa in Griechenland (Korfu, Thessaloniki) oder in Nordafrika (Bizerta) im Exil lebten. Auch in Kriegsgefangenen- und Internierungslagern der Habsburger Monarchie, z. B. in Mauthausen, Aschach und Neusiedl am See, fanden Theateraufführungen der serbischen Gefangenen statt. Textbücher waren zwar Mangelware, doch die Schauspieler, Regisseure, Lehrer, die es unter Exilanten und Gefangenen gab, schrieben die bekannten Stücke aus dem Gedächtnis nieder. Kulissen und Kostüme wurden improvisiert, Veranstaltungsprogramme handgeschrieben vervielfältigt.
In Exil wie Gefangenschaft war das Theater von großer Bedeutung. In einer existenziellen Notsituation, als es unsicher schien, wann und ob man jemals nach Serbien zurückkehren würde, waren es tatsächlich „Bretter, die das Leben bedeuteten“. Der Vortrag widmet sich den Protagonisten dieses Theaters der Emotionen, den Schauspielern und Ensembles.