Geboren 1942 in Berlin, aufgewachsen in Schleswig-Holstein und Hamburg, begann R. Meyer sein Studium 1963 an der Universität Hamburg, belegte die Fächer Philosophie, Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft und konzentrierte sich in der Folge auf Philosophie und Germanistik. In Freiburg im Breisgau, wo er zusätzlich sowohl katholische als auch evangelische Theologie studierte, machte er das Staatsexamen. 1973 promovierte er in Regensburg im Fach Philosophie mit einer Dissertation zu G. E. Lessing. 1982 folgte in Wuppertal die Habilitation. Nach Lehraufträgen in Bremen, Marburg und Thessaloniki zog sich R. Meyer aus dem universitären Lehrbetrieb zurück, leitete jedoch weiterhin das 1976 von ihm gegründete Regensburger Studententheater.
Reinhart Meyers bibliographische Forschungen zur Theatergeschichte des 18. Jahrhunderts
Nach seiner Dissertation, 1973 publiziert unter dem Titel „Hamburgische Dramaturgie“ und „Emilia Galotti“. Studien zu einer Methodik des wissenschaftlichen Zitierens, entwickelt am Problem des Verhältnisses von Dramentheorie und Trauerspielpraxis bei Lessing, widmete sich R. Meyer der bibliographischen Erschließung einer dramatischen Gattung, die für die Theatergeschichtsschreibung von besonderer Bedeutung ist, und legte 1977 vor: Das deutsche Trauerspiel im 18. Jahrhundert. Eine Bibliographie. Die Arbeit an diesem Buch machte R. Meyer bewusst, wie sehr die traditionell-bibliographische Zugangsweise das Bild von der Theatergeschichte verzerrt, denn klassische Bibliographien zum Theater dokumentieren die bekannten vollständigen Stückdrucke in der Regel einer bestimmten Gattung und Sprache – und fördern dadurch einen selektiven Blick auf die Vergangenheit. Ausgehend von einem sozialgeschichtlichen Zugang geht es R. Meyer hingegen um eine möglichst breite Erschließung der Quellen, um daraus eine Kulturgeschichte des Theaters gewinnen zu können.
Das Anliegen, die Quellengrundlage zu erweitern und damit die Voraussetzungen für eine adäquatere Einschätzung der Geschichte zu ermöglichen, führte zu Herausgabe von einer Reihe von Reprint-Ausgaben. Den Beginn machte 1980 Die Hamburger Oper. Eine Sammlung von Texten der Hamburger Oper aus der Zeit 1678–1730 in drei Bänden (ein eigenständiger Kommentar dazu erschien 1984).
Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte er sowohl die sieben Bände Das deutsche Drama des 18. Jahrhunderts in Einzeldrucken. Gruppe 1: Das Repertoire bis 1755 als auch die 26 Bände Theater- und Literaturzeitschriften des 18. Jahrhunderts. Darin enthalten sind Das Parterr (1771), Die Logen (1772), Allgemeine Bibliothek für Schauspieler und Schauspielliebhaber (1776), Theater-Journal für Deutschland (1777–1784), Literatur- und Theaterzeitung (1778–1784), Annalen des Theaters (1778–1797), Der dramatische Zensor (1782) und Ephemeriden der Literatur und des Theaters (1785–1787).
Seine kulturgeschichtlich-bibliographischen Forschungen setzte R. Meyer zu dieser Zeit fort. Seine Kritik an der ideologischen Perspektive traditioneller Bibliographien führte ihn zu einer methodischen Innovation: Nicht die Geschichte des gedruckten deutschsprachigen Dramas nach Gattungstheorien des 19. Jahrhunderts sollte von nun an im Mittelpunkt stehen, stattdessen rückte R. Meyer die gesamte Theaterproduktion im Heiligen Römischen Reichs des 18. Jahrhunderts in ihrer sprachlichen und formalen Vielfalt in den Fokus. Umgesetzt wurde dieser neue Zugang in der Bibliographia Dramatica et Dramaticorum. Kommentierte Bibliographie der im ehemaligen deutschen Reichsgebiet gedruckten und gespielten Dramen des 18. Jahrhunderts nebst deren Übersetzungen und Bearbeitungen und ihrer Rezeption bis in die Gegenwart, von der die 1. Abteilung zu Werkausgaben, Sammlungen, Reihen 1986 in drei Bänden erschien und die 2. Abteilung zu Einzeltitel von 1993 bis 2012 in 34 Bänden zur Publikation gebracht wurde.
Im Kontext seiner bibliographischen Forschungen publizierte R. Meyer zahlreiche Studien, in denen er Wege zur Interpretation der von ihm erschlossenen Quellen weist. Diese auf breit angelegten Recherchen basierenden und mitunter durchaus polemisch formulierten Texte reichen von quantitativen Analysen bis hin zu sozialgeschichtlichen Studien. Hinterfragt werden darin für das 18. Jahrhundert etwa die Definition des deutschen Theaters als deutschsprachig, die Sinnhaftigkeit der Verwendung des Begriffs Nationaltheater wie auch die Tauglichkeit von ‚Aufklärung‘ als Epochenbezeichnung. Ein weiteres Anliegen R. Meyers ist die Gegenüberstellung des Theaterlebens der norddeutsch-protestantischen bzw. süddeutsch-katholischen Gegenden, wobei dem Jesuitentheater besondere Aufmerksamkeit zukommt. Und unversehens avanciert der italienisch schreibende Librettodichter Metastasio zu einem der am meisten gedruckten, vertonten und gespielten Autoren des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Wiederveröffentlicht wurde ein Großteil dieser Schriften 2012 unter dem Titel Schriften zur Theater- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts.
Ulrich Scheinhammer-Schmid in Musik in Bayern (Band 79/80, Jahrgang 2014/2015, München 2016, S. 260-267).
Aktuell arbeitet Reinhart Meyer an der Documenta dramatica. Sprech-, Musik- und Tanztheater Mitteleuropas im 18. Jahrhundert. Damit bringt er sein bibliographisches Lebenswerk zum Abschluss und stellt der literatur-, theater- und musikgeschichtlichen Forschung, aber auch der historischen Kultur- und Religionswissenschaft eine einzigartige Quellendokumentation zur Verfügung.