Theresia Wallishausser
1777–1832
Paul Raabe schreibt, dass die
„Buchhändlerin ein selbständiger und selbstverständlicher
Berufsstand im 18. Jahrhundert war“ [Raabe,
Paul: Bücherlust und Lesefreuden. Stuttgart: Metzler, 1984. S. 25.],
Mark Lehmstedt [Lehmstedt, Mark: „Ich bin nun vollends
zur Kaufmannsfrau verdorben“. Zur Rolle der Frau in der Geschichte
des Buchwesens. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte. 6 (1996). S.
81–154.] gibt eine eindrucksvolle Aufzählung von Buchhändlerinnen
in Deutschland an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, und Volker Titel
[Titel, Volker: Deutsche Buchhändlerinnen im 19.
Jahrhundert. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte. 6 (1996). S. 155–166.]
nennt für das Jahr 1840 in Wien 12 Firmen-Besitzerinnen, womit über
ein Viertel der Buchhandlungen in weiblicher Hand waren. Fast alle von
ihnen führten einen Witwenbetrieb, denn die verheiratete Frau oblag
der Entschlussgewalt des Ehemannes, während Witwen und zum Teil auch
ledigen Frauen erstaunlich große Entscheidungsfreiheit zugestanden
wurde. Auch beim Verlag Wallishausser ergab sich ein solcher Fall. Bei dem Tode ihres Gatten am 22. Februar 1810 war Theresia Maria Anna Weinzetl, die zweite Gattin, 32 Jahre alt. Acht gemeinsame Jahre waren dem Ehepaar vergönnt. Nun war sie mit 7 Kindern, einer Buchhandlung, einem Verlag, einer Buchdruckerei und etlichen Schulden allein gelassen, in einer Zeit, die durch unterschiedliche Ereignisse geprägt war. Es herrschte eine Aufbruchstimmung, man denke an das Biedermeier und das erwachende Selbstbewusstsein des Bürgertums, oder den Wiener Kongress mit seinen vielen ausländischen Gästen. Für Theresia war es eine große Hilfe, dass der 19-jährige Stiefsohn Johann Baptist II., der schon den Buchhandel erlernt hatte, und die Stieftochter Anna Maria, die sicher auch im Betrieb mitgearbeitet hatte, ihr zur Seite standen. Eine wichtige Position fiel auch Dr. Cajetan Schöller als Rechtsfreund von Wallishausser I. zu, der ihn selbst noch knapp vor seinem Tod als Curator der Kinder bestellte. Mit seinem juristischen Wissen konnte er die Familie in Rechtssachen bestens beraten. Er hat auch die Abwicklung der Verlassenschaft durchgeführt, die sich 7 Jahre hinziehen sollte. Zehn Jahre lang führte Theresia den Betrieb, in dieser Zeit wurden viele wichtige Verbindungen hergestellt, die über Jahrzehnte halten sollten. Nur mit ihrer Unterschrift dokumentierbar ist die tatkräftige Gattin Johann Baptist Wallishaussers I. Therese firmierte als „priv. Buchhändler und Buchdruckerswittwe“. |
Privat veränderte sich nun der Wohnsitz der Familie. Um die Miete zu sparen, zog Theresia mit den Kindern in das vom Vater ererbte Haus Nr. 425 (= 458, heute: Tuchlauben 3, laut Straßenverzeichnis Harrer). Es ist ein schmalbrüstiges Haus und hat sicher nicht so viel Wohnraum wie bisher, aber man muss sich eben einschränken.
Laut Konskriptionsbogen 1805 [recte: 1810 oder 1811; WStLA, Konskriptionsbögen, I. Reihe] haben wir die Familie „Unter Tuchlauben No 458“ aufgelistet: Wallishauser Theresia 775 Buchhändler u.
Buchdrucker Die Geschäftsadresse blieb jedoch unverändert Neuburgergasse 1177 (heute Plankengasse).
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Gemäß dem Verlassenschaftsakt hinterließ Wallishausser folgende Kinder aus erster Ehe: Maria Anna, 22 Jahre alt, Johann Baptist, 19 Jahre alt, Antonia, 16 Jahre alt, Johanna, 14 Jahre alt, sowie Franz, 11 Jahre alt. Aus seiner zweiten Ehe mit Theresia stammten noch die beiden Kinder Karl [Carl Paul] und Theresia (5 und 4 Jahre alt). Wallishausser verfügte testamentarisch, dass die Buchdruckerei und Buchhandlung so lange fortgeführt werden sollten, bis sämtliche Forderungen an die Verlassenschaft getilgt wären. Damit sicherte Wallishausser den Fortbestand des Betriebes zumindest auf einige Jahre. Beide Geschäfte waren mit Buch-, Wechsel- und anderen Schulden belastet, wohl eine Folge der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Kriegsjahre (1805 und 1809). Der Wert der Buchdruckerei wurde von dem Universitätsbuchdrucker Matthias Andreas Schmidt mit 2036 Gulden beziffert. Hätte Theresia Wallishausser alles (zum Schätzwert) verkauft, wäre ein Rest von immerhin 12.516 Gulden Bancozetteln geblieben, wovon die Witwe als Universalerbin freilich noch den sieben genannten Kinder ihre Pflichtteile auszuzahlen gehabt hätte [Mayer, Buchdrucker-Geschichte. II, 151].
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Merkantil- und Wechselgericht sBereit am 8. März 1810 wird Dr. Schöller als Curator bestellt. Er bringt auch die Witwe Theresia als Vormund in Vorschlag. Am 18. April 1810 reicht Theresia Wallishausser beim Mercantil- und Wechsel-Gericht um Protokollierung der nunmehrigen Firma ein [WStLA, Merkantilakt W 48/I. Reihe 1810]. Am 26. April 1815 erhält Theresia Wallishausser die Befugnis zur Errichtung einer öffentlichen Leihbibliothek [Anzeige in der Wiener Zeitung, 27. November 1815, S. 1315], obwohl ihr Gatte diese schon seit 1789 eingerichtet hatte. Das Merkantilgericht drängt, die Abhandlungsakten vorzulegen, Theresia muss immer wieder bitten, den Termin zu verlängern, da allein die vielen hinterlassenen Passiven verschiedene Prozesse veranlassten, die erst 1815 beendet werden konnten. Im Jänner 1816 teilte Theresia dem Merkantil- und Wechselgericht mit, sie habe am 25. Jänner 1816 dem Magistrat als Abhandlungsinstanz die Abhandlungsakte überreicht und ersucht um eine Verlängerung des Termins. Neuerlicher Termin, neuerliche Androhung von Pönalezahlungen. Endlich kommt am 15. Juni 1816 ein Schreiben vom Wiener Magistrat an das Merkantil- und Wechselgericht, in dem mitgeteilt wird, dass an diesem Fall gearbeitet wird. Im September 1816 muss Theresia Wallishausser um eine neuerliche Verlängerung ansuchen, da der Akt vom Wiener Magistrat noch immer nicht beim Gericht angekommen ist. Nach Vorlage der verlangten Unterlagen wird, da der Anteil der Kinder nicht ausbezahlt wird, sondern in der Buchhandlung bleibt, am 9. April 1818 ein „Sozietäts Kontrakt“ verlangt [WStLA, Merkantilakt W 48/I. Reihe 1819, Sign. A 3/310, Kl. 63/13].
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Auftragslage Im Oktober 1810 gibt es eine wichtige Änderung in der Theaterwelt: die beiden Hoftheater werden nach den Gattungen Schauspiel und Oper getrennt. Die Ausführung der Programmzettel hat sich nicht verändert, sie blieben dreigeteilt für drei Theater. Ein Ansuchen von Theresia Wallishausser
zeigt, dass sie bemüht ist, alle geschäftlichen Möglichkeiten
auszunützen. Im Gestionsbuch des Erzbischöflichen Consistorii
in Wien ist dieses Ansuchen vom 28. May 1813 mit folgendem Wortlaut eingetragen:
Werbung Auch die Werbung durch Anzeigen in der Wiener Zeitung setzt Theresia fort. Die Zahl der Anzeigen ist nicht sehr umfangreich, wie aus dem Diagramm ersichtlich ist. In den Anzeigen finden wir die Werke von Zacharias Werner, das jährliche Wiener Hoftheater-Taschenbuch, Anzeigen für das Buch „Feyerlichkeiten bei der Rückkehr Sr. Majestät“ und den Freiheitsdichter Theodor Körner (gefallen 22jährig am 26. August 1813). In einem Brief an seinen Vater vom 13. März 1813 schreibt er: „ Hedwig die Gouvernante, Josef Heyderich und der Vetter aus Bremen habe ich an Wallishaußer als zweiten Theil meiner dramatischen Beiträge übergeben.“ [Körner Theodor: Sämmtliche Werke. Leipzig: Reclam, o. J. S. 671.] Auch Predigten von Cleynmann, der beliebte Almanach „Aglaja“, das „Dramatische Sträußchen“ von J. F. Castelli wurden angezeigt, und am 4. März 1819 erschien die erste Anzeige für Franz Grillparzers Werk Sappho. Aber nicht nur in der Wiener Zeitung, auch in der Wiener Theaterzeitung von Bäuerle finden wir ab 1814 Beurteilungen der Neuausgaben des Verlags Wallishausser. Es gibt Kritiken über Almanache, man findet Castellis „Dramatisches Sträußchen“, („das Äußere dieses Büchleins ist recht geschmackvoll“), und es erscheinen über etliche Nummern hinweg „Gespräche zweyer Kunstfreunde über Franz Grillparzers Trauerspiel Die Ahnfrau. Als Beytrag zur Beurtheilung desselben“, desgleichen auch über das Trauerspiel „Sappho“ [ÖNB MFS 5754].
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K.K. Obersthofmeister=Amt
Wie sehr Theresia und Johann Baptist II. bemüht waren, Aufträge zu bekommen, die über einen längeren Zeitraum regelmäßige Einnahmen versprachen, kann man daraus ersehen, dass Wallishausser sofort die Gelegenheit erfasste, als Herr von Degen laut Hofdekret seine Privatdruckerei nicht weiter fortsetzen durfte und somit die Arbeiten für das Obersthofmeister-Amt beenden musste. Am 28. Februar 1815 bittet Degen das Obersthofmeister-Amt, ihm mitzuteilen, an wen er die in seinen Händen habenden Requisiten übergeben soll. Consignation Auf welche Weise Wallishausser
davon Kenntnis bekam, dass die Druckarbeiten für das Obersthofmeister
Amt vakant sind, ist nicht bekannt. Er reicht sofort ein und bittet um
Überlassung der Buchdrucker-Arbeiten, die bisher von der Degen’schen
Buchdruckerei angefertigt wurden. Am 8. März 1815 kommt der Bescheid,
dass er nun diese Arbeiten übernehmen darf. Die Bedingungen sind
genau festgehalten, genauso die Verrechnung vierteljährlich (nach
den Militärquartalen). Interessant ist die Bemerkung, warum die Arbeiten
nicht der Staatsdruckerei übergeben wurden: die räumliche Entfernung
zur Staatsdruckerei wäre zu groß, um bei Dringlichkeit die
Druckarbeiten rechtzeitig bei Hofe abzuliefern. [HHStA/OMeA/Karton
210/1815/16]
1816 kommt es zum Druck eines Werkes von Hr. v. Paumgartten unter dem Titel: Zeitschrift über den Einzug Sr. Majestät des Kaisers. Es werden 950 Exemplare gedruckt, der Auftrag beläuft sich auf über 2200 fl. Nun ist es bemerkenswert, welchen Schriftwechsel dieser Geschäftsfall verlangte, in dem immer wieder die Hofstaatsbuchhaltung einbezogen wird. Es wird um jeden Gulden gefeilscht, um die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. [HHStA/OMeA/ Karton 226/1816/ 145.] 1817 sucht v. Paumgartten bei dem Obersthofmeister-Amt um ein Honorar an. Man solle ihm wenigstens von den, von Wallishausser innerhalb des Zeitraums von einem Jahr verkauften 140 Exemplare den Erlös von 420 fl. als Honorar überlassen. Der Antrag wird bewilligt und Wallishausser beauftragt, den Betrag an v. Paumgartten auszuzahlen. Ebenfalls im Jahre 1817 sucht J. B. Wallishausser beim Oberst-Hofmeister-Amt um Ausstellung eines Amts-Zeugnisses an. Folgendes Dokument wird ihm ausgestellt: Amts = Zeugniß
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Auszug aus dem Briefverkehr In der Handschriftensammlung der Wr. Stadtbibliothek befinden sich einige Briefe an den Verlag J. B. Wallishausser aus dieser Zeit. Nirgends zeigt sich deutlicher, wie sehr Johann Baptist Wallishausser zum tüchtigen Geschäftsführer herangereift ist. So schreibt Caroline Pichler, er möge ihr ein Exemplar der Aglaja aufheben, da es sehr schön sein solle, sie werde es abholen lassen. Mit J. Ch. v. Zedlitz wird über das Honorar von 100 Ducaten und den Druck von zweitausendeinhundert Exemplaren des Werkes Turturell verhandelt. Weitere Briefe stammen von Dr. Müllner aus Weißenfeld, Ritter von Kalchberg, Georg von Gaal , dem Zensurbeamten Zettler u.a.m. Auch etliche Briefe von Franz Grillparzer, aus denen ersichtlich ist, dass J. B. Wallishausser mit ihm gut befreundet gewesen sein muss, da Wallishausser sogar Zugang zu Franz Grillparzers Schreibtisch hatte, und aus einer Abrechnung ist ersichtlich, welche Freundschaftsdienste Johann Baptist für Grillparzer erledigte. Auch eine Honorarabrechnung von Franz Grillparzer ist erhalten [WStLB Handschriftensammlung], aber ebenfalls ein Brief Grillparzers an den Grafen Brühl mit negativen Äusserungen über Wallishausser [Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 1890, siehe Link].
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Einantwortung der Verlassenschaft Wie schon erwähnt, zog sich die Abhandlung der Verlassenschaft jahrelang hin, immer wieder gab es Schwierigkeiten, um die Angelegenheit zu Ende zu bringen, doch 1817 war es endlich soweit. Die Einantwortungsurkunde schließt eine gerichtliche Verlassenschaftsabhandlung ab. Dazu war es jedoch notwendig, dass die Forderungen sämtlicher angemeldeter Gläubiger beglichen waren. Erst im Jänner 1816 konnte Theresia die Schuldenbegleichung dem Merkantilgericht vorlegen und nun konnte endlich die Verlassenschaftsabhandlung beendet werden. Sehr wichtig für das Gericht war die Absicherung der minderjährigen Kinder, wie folgender Ausschnitt beweist: Da weiters nach dem Testament
der Wunsch und Wille des Erblassers dahin gehet, die Handlung den Kindern
zu erhalten, was der Vormund bisher mit Beyhilfe des m Sohns und der m
Tochter, welche beyde sich zur Führung derselben thätig verwendeten,
bewirket; auch die Druckerey in einen treflichen Stand gesetzt hat; ferner
d...(nicht lesbar) in der Handlung belassen werden soll, so erscheinen
künftig (die) Kinder als Eigenthümer von ¾ der
Handlung. Es tritt also der Fall ein wo ein Handlungsassistent
nothwendig wäre; allein da die Handlung aus der mißlichen Lage,
in der sie sich beym Todfall des Wallishauser befand, bloß allein
durch die treffliche Leitung des Curators und Vormund Dor Schöller
gerissen worden ist, und nur seiner väterlichen Obsorge ihren damaligen
aufrechten Stand zu verdanken hat, so dürfte auch künftig hin
ihm allein die Leitung um so mehr überlassen werden, als er schon
in voraus gegen die Aufstellung eines Assistenten protestirte. |
Die Bilanz von 1817 Billanz
Wien am 30. April 1817 S. Johann Georg Binz S. Matthias Andreas Schmidt Zur besseren Information nehmen wir den Umrechnungskurs der Statistik Austria vom August 2006: Für das Jahr 1817 ist der Wert für 1 Gulden = € 11,46. Der reine Handlungsfond beträgt 28.558 f 24 xr = € 327.279,26. Durch die gute Bilanz ist ersichtlich,
dass Buchhandlung und Buchdruckerei nun positiv agierten. 1819 sucht Wallishausser
beim Obersthofmeister-Amt um Verleihung des Titels eines k. k. Hofbuchhändlers
an. [HHStA/OmeA/Karton 256/1819/126]. Theresia
legt ihre Befugnis zurück und der Bescheid vom 31. Jänner 1820
lautet: Die Anzeige in der Wiener Zeitung:
Theresia Wallishausser hat ganz
im Sinne ihres verstorbenen Gatten, die Handlung weitergeführt und
kann nun einen gut florierenden Betrieb an ihren ältesten Stiefsohn
weitergeben, der sich in den vergangenen 10 Jahren zu einem excellenten
Fachmann und Kaufmann entwickelt hat. Diese Leistung war nur möglich
durch die einmalige Zusammenarbeit zwischen Theresia, Dr. Schöller
und den beiden ältesten Kindern, Anna Maria und Joh. Baptist. |